Sidecar WM: Die 600er kommen – FIM stellte das neue Reglement 2017 vor!
Im Rahmen der German Speedweek in Oschersleben stellte die Fédération Internationale de Motocyclisme (International Motorcycling Federation)den Fahrern der FIM Sidecar World Championship und F2 World Trophy das neue Reglement für 2017 vor. bereits im Vorfeld gab es in der Gespannszene heftige Diskussionen zu den bevorstehenden Änderungen im kommenden Jahr. Dabei ist das Reglement durchaus recht simpel aufgebaut und soll für mehr Klarheit, Gleichheit unter den Teams und vor allem auch Sicherheit sorgen, das es mit den leistungsstarken 1000er Motoren häufiger zu nicht beherrschbaren Fahrsituationen gekommen sei.
Im Groben und Ganzen kann das neue Reglement mit einem Satz verstanden werden: Bis auf die elektronische Software und die Steuerzeiten (Timing) darf nichts an den kommenden Gespannen verändert werden und muss bleiben wie homologiert.
Das Jahr 2016 galt bereits im Vorfeld als DAS Übergangsjahr von den 1000er Motoren zu den 600er Motoren. Nicht erstaunlich, dass nun ab 2017 wirklich der Wechsel zu den 600er Motoren mit 4 Zylindern in Richtung Supersport oder Superstock kommt. Bei der Gespannlänge darf künftig jedoch variiert werden, sowohl kurze als auch lange Gespanne sind in der neuen Saison zugelassen und müssen sich jedoch hier erstmals nach einem Minimumgewicht richten. Für die kurzen Gespanne bedeutet dies samt Fahrer, Beifahrer, Kühlwasser und allem ein Gewicht von 350kg, ein langes Gespann muss mindestens 370kg im Gesamten auf die Waage bringen.
Auch Teile wie: Zylinderkopf, Zylinderkopfdichtung, Kolben, Kolbenringe, Kolbenbolzen, Ventile, Ventilführung, Ventilsitze, Nockenwelle, Einspritzsystem und Einspritzkörper müssen im Originalzustand verbleiben, ebenso das Getriebe. Die Kupplung hingegen dürfe frei gewechselt werden, auch die Wahl nach der richtigen Elektronik stehe für alle Gespanne offen.
Die grösste Diskussion gab es in der Runde jedoch bei der Gewichtsvorgabe für die Gespanne im nächsten Jahr. Besonders das Team Grabmüller/Kirchhofer müsse hierbei deutlich an Gewicht zu legen, um auf den vorgegebenen Wert zu kommen und werde sich diesbezüglich noch einmal mit Gespannbauer Louis Christen (LCR), der an diesem Wochenende für die WM extra aus der Schweiz angereist ist, auseinandersetzen. Im Gesamten gesehen betreffe es jedoch nur wenige Gespanne, die vor einer ähnlichen Problematik stünden, erklärte Ralph Bohnhorst (Rennkoordinator der FIM) nach der Verkündung im Gespräch mit Racetrack News. Dabei seien die Werte nicht von der FIM ausgedacht, sondern durchaus mit einzelnen Fahrern der Szene abgestimmt worden. Die schriftliche Veröffentlichung des Reglements seitens der FIM wird jedoch nicht vor September erwartet.
Im Anschluss an die Reglement-Vorstellung, haben wir uns mit Adolf Hänni getroffen und ihn zu den neuen Vorgaben um seine Meinung als Seitenwagen-Experte befragt:
Adolf, Du kennst die Seitenwagenszene seit 30 Jahren, u.a. als ehemals aktiver Beifahrer und dreifacher Weltmeister und hast schon viele Entwicklungen in diesem Sport erlebt. Heute wurde das neue Reglement für 2017 vorgestellt. Was sagst Du zu den Veränderungen, die im nächsten Jahr auf die Gespanne in der WM zukommen?
“ Es ist eigentlich dasselbe wie es früher war. Man hatte vor einem Jahr gesagt, dass es in Richtung 600er geht und dieses Jahr als Übergangsjahr gilt und so war es schon immer. Ich habe in meinen aktiven Jahren viel neue Sachen miterlebt, er Wechsel von Luftgekühlt zu Wasser gekühlt, Zweitakt zu Viertakt, 1200 – 1000 usw… Früher hat es geheissen, dass ist der Entscheid und so wird es gemacht. In der heutigen Zeit gibt es das nicht so, da wird viel diskutiert. Aber wenn du der Champ werden willst, dann musst du versuchen im Kopf dir als erstes zu überlegen: wie könnte ich mir Materialmässig einen Vorteil verschaffen den anderen gegenüber mit dem Reglement was es gibt und dann haben wir angefangen zu tüfteln und zu schauen. Ich bin auch nicht einverstanden, das es immer langsamer wird. Denn wenn man sieht das, dass ein Gespann noch mit aufs Podium gehen kann was eigentlich von den F1 überrundet wurde, das ist eigentlich ein extremer Rückschritt in der Technik und mit allem. Das kann man u.a. den Zuschauern und Sponsoren auch schwer erklären, warum jemand der im hinteren Feld mit einem F2 herum fährt noch auf dem Podium stehen kann. Ich denke es sähe auch besser aus, wenn z.B. nur lange Chassis fahren, statt lange und kurze, das ist das einzige was mir nicht gefällt.“
Hätte es aus Deiner Sicht auch eine Einigung geben müssen, ob lange oder kurze Chassis verwendet werden dürfen oder glaubst Du kommt das noch, dass es in Richtung in einheitliche Chassis geht?
„Früher waren es andere Zahlen, wenn es darum geht einen Motor oder anderes zu kaufen. Wir hatten früher zwar mehr Sponsorgelder und öfter auch das Fernsehen dabei, aber früher war es fast noch mehr unerschwinglich als es heute ist. Heute ist das schon so, dass viele mitfahren können und auch das Niveau von den Fahrern her ist anders als früher, damit meine ich das Können ein Fahrzeug herzustellen und es dann zu fahren. Wenn die Teams sehen, dass man mit einem Gespann wie die Brüder Birchall es haben oder der Grabi es fährt, auch auf dem Podium stehen kann, dann werden viele nicht lange überlegen, sondern im nächsten Jahr auch mit so einem Gespann antreten. “
Wird es denk ich welche geben, die diesen Weg nicht mitgehen – besonders weil das Hauptstarterfeld aus F1 Gespannen besteht?
„Das ist schwierig zu sagen. Es ist einfach so wenn du Weltmeister werden willst, musst du schon ein langes Fahrzeug haben, wie es der Birchall und der Grabmüller haben und wenn du Sponsoren hast, die schon immer Geld gegeben haben die Weltmeisterschaft zu bestreiten und du sagst: das nächste Jahr fahre ich nicht mehr WM, für den wird es schwer dass sie Geld bekommen und sie werden daher versuchen weiter in der WM zu fahren oder aufhören.“
In der Konferenz wurde als einer der Gründe angeführt, dass die Änderung u.a. auch deswegen erfolgt um mehr Sicherheit zu schaffen. Ist das F1 so unbeherrschbar wie es gesagt wurde?
„Es gibt einfach eine andere Fahrweise durch die PS die du hast. Die Fahrer die jetzt mit den 1000ern gefahren sind, sind es gewohnt mit mehr Power zu fahren und wenn du schräg in der Kurve stehst, versuchst du mit mehr Gas das Fahrzeug zu steuern. Jetzt ist wahrscheinlich das Limit schon da, zwei Mann, 600 Kubik dass du einfach nicht mehr so aggressiv fahren kannst und das Fahrzeug lenkst mit der Power. Das es jedoch weniger Unfälle dadurch gibt, glaube ich nicht, sondern eher dass es für den Beifahrer schwieriger wird zu fahren. Auch von der Leistungsdichte werden mehr beieinander liegen und es wird schwieriger werden, wenn mehrere Gespanne in die selbe Ecke fahren.“
Für Unruhe in der Runde sorgte vor allem die Regelung zum Gewicht der Gespanne? Wieso kam die Diskussion genau an dem Punkt auf?
„Um es noch mehr auf eine Ebene zu führen, wollen sie natürlich das Gewicht auch limitieren, dass man nicht so leicht ist. Zum Beispiel die Birchalls sind zwei leichte Jungs und mit bestimmten Teilen kann man auch das Gespann mit Carbon und Titan alles sehr leicht machen. Da gibt es untereinander schon Unterschiede das ein Gespann 46kg schwerer ist als das andere. Sie müssen rechnerisch z.B. das Gewicht nehmen von einem Fahrzeug, was nicht so viel kostet nicht soviel Hightech besitzt und dann eben den Schnitt von zwei Fahrern, das Fahrzeug… man kann aber nicht mit einem zu leichten Gespann ein Rennen fahren, deswegen wollen sie ein Limit einführen.“
Ist das gefährlicher, wenn ein Gespann zu leicht ist es dann auch zu händeln?
„Früher war das schon so, heute hat man hingegen Materialen die leicht sind wo die Sicherheit aber gewährleistet ist, doch das kostet einfach mehr Geld, aber sonst wäre das eigentlich kein Problem. Ich für mich sage im Gesamten ist es für den Beifahrer härter, aber es wird auch mehr Fights geben auf der selben Ebene und es wird nicht unbedingt weniger Unfälle geben. Denn ich denke auch dass die Fahrer sagen werde, vorher hatte ich 200 PS und jetzt habe ich nur 130 PS aber auch die 130 PS muss man gut beherrschen können! Man kann sich auch unterschätzen und die Erfahrung wird es zeigen….“
Text und Foto: Doreen Müller
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