Reportage: Wenn es mal weh tut! Das Clinica Mobile.

Es ist wohl in der Betrachtung aller Sportarten einzigartig, die mobile Klinik welche in der MotoGP und WSBK zum Einsatz kommt. Doreen Müller sah sich dieses Krankenhaus auf Rädern in Valencia näher an und führte das interessante Gespräch mit Dr. Zasa. Er leitet das Clinica Mobile neben Dr. Dalla Rosa Prati (Leiter Europäisches Diagnose-Zentrum). 2014 übernahm er die Führung von Dr. Claudio Costa. 30 Jahre besteht die mobile Klinik in diesem Jahr! Während der Rennevents ist die Krankenhaustür immer geöffnet. Allen aus dem Fahrerlager wird geholfen. Ob Piloten, Mechaniker, Teammitglieder und Fotografen – jeder hat hier eine Anlaufstelle, wenn es mal gesundheitlich nicht rund läuft.
Wie groß ist der Unterschied zwischen dem Clinica Mobile und einem normalen Krankenhaus? Wie arbeitet Ihr und das Team hier im Fahrerlager?
„Es ist ein großer Unterschied mit positiven wie negativen Aspekten. In einer Klinik hast Du natürlich meist die gleichen Fälle, besitzt ein großes Team, welches all die Fälle behandelt. Alles ist etwas strukturierter. Aber hier im Fahrerlager musst Du den Service den Du anbietest mehr an die Bedürfnisse der Fahrer anpassen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten ein Wochenende durchzuplanen, es kommen Notfälle und es müssen schnelle Entscheidungen getroffen werden, wie die Arbeit des Clinica Mobiles daran angepasst werden kann was für die Piloten gerade benötigt wird. An manchen Tagen gibt es viele Unfälle, wiederum an anderen Tagen kommen viele Fahrer mit ein und demselben Problem. In einer Stunde kann es so durchaus vorkommen, dass wir 30 Piloten hier haben, die wegen Armpump kommen. Im Clinica Mobile braucht es oft auch etwas Kreativität um den bestmöglichen Service durchführen zu können.
Wie schätzt Du die Qualität Eurer Arbeit im Gegensatz zur Behandlung in einem normalen Krankenhaus ein?
„Wir versuchen die gleiche Qualität anzubieten wie es hoffentlich in einem normalen Krankenhaus der Fall wäre. Aber wir haben einen kleinen LKW, unser Angebot ist daher natürlich begrenzt. Was wir tun, tun wir jedoch auf einem hohen Level. Im hinteren Bereich haben wir ein Röntgengerät, welches zu den besten der Welt gehört und unsere Physiotherapeuten besitzen viel Wissen. In dieser Hinsicht haben wir einen guten Service.“

Werdet Ihr in Eurer Arbeit von Personen oder Institutionen besonders unterstützt,damit Ihr überhaupt tätig sein könnt?
„Wir arbeiten immer mit dem Medical Center und den Ärzten an der Strecke zusammen. Wenn also ein Unfall passiert, werden die Fahrer zuerst von den Ärzten vor Ort behandelt. Im Medical Center selbst sind wir immer mit einem unserer Ärzte präsent. Wir übernehmen schließlich die folgenden Behandlungsschritte nach einem Unfall, für den Fall das der Pilot okay ist und nicht für weitere Untersuchungen in ein Krankenhaus muss. Wir haben also schon eine enge Kooperation. Der finanzielle Part hingegen ist herausfordernd. Wir werden von IRTA und Dorna unterstützt, aber nicht im großen Ausmaß. Wir versuchen uns somit immer mit Hilfe von Sponsoren zu verbessern. Wir arbeiten sehr viel an unseren Kommunikationswegen und verbessern unser Image. Wir haben viele Pläne und möchten in der Lage sein Investitionen tätigen zu können, um weiterhin einen guten Service anbieten zu können.“
In Deutschland hat es der Motorradrennsport bekanntermaßen schwierig neue Unterstützer zu finden, egal ob Profirennsportler oder Nachwuchstalente. Auf welcher Basis sucht Ihr denn Eure Sponsoren?
„Es ist für uns genauso schwierig wie für jedermann. Die Firmen, welche uns unterstützen haben andere Interessen als die Firmen, welche die Fahrer unterstützen. In der Regel gelten ihre Interessen dem Motorrad, der Strecke, dem Fahrer oder z.B. dem Helm. Aber wir haben kein Bike mit dem wir auf der Strecke sind. Wir versuchen unser Image eher den Firmen zu geben, welche gute Qualität anbieten und ebenfalls Menschen helfen. Die Dinge, die wir teilen können sind eher ethischer Natur, wie Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit.“
Welche Dinge haben sich für Dich persönlich verändert als Du vor drei Jahren den Job von Doktor Costa übernommen hast?
„Alles! Mein Leben hat sich sehr verändert, ich möchte nicht sagen gut oder schlecht. Ich reise viel und bin wenig zu Hause. Außenstehende denken wahrscheinlich: „Oh man! Die müssen glücklich sein, es ist wie Urlaub!“ Dass ist es allerdings nicht! Wir reisen um zur Arbeit zu kommen, arbeiten zwölf Stunden täglich hart, fünf Tage am Stück und dann geht es direkt wieder nach Hause. Nach Saisonende geht für mich die Arbeit noch im Büro weiter, denn im Winter müssen wir uns um Sponsoren kümmern, die LKWs vorbereiten. Eigentlich schläfst Du nur zwei Monate zu Hause, was für mich unglaublich ist. Als ich jünger war, wollte ich unbedingt reisen und nun möchte ich gern auch mal zu Hause sein. Man bekommt eben immer das was man gerade nicht möchte. Es ist nicht immer einfach, ein tougher Job, aber es ist meine Passion!“

Ist Deine Art und Weise zu arbeiten anders als zu Claudio Costa, der 1977 die Arbeit im Clinica Mobile mit seinem Vater Checco begonnen hatte?
„Ja schon aufgrund der unterschiedlichen Charakter und des Alters. Ich arbeitete mit Costa zweieinhalb Jahre zusammen und zu Beginn war meine Arbeitsweise seiner sehr ähnlich. Die Philosophie bleibt jedoch immer dieselbe, nah bei den Fahrern zu sein um sie zu unterstützen. Was sich hauptsächlich verändert hat, ist jedoch die technische Seite, es ist mehr Hightech als früher. U.a. haben wir eine mobile App, um Behandlungen zu buchen und im Blick zu haben.“
Die Rolle des Clinica Mobile im Fahrerlager hat sich überall die Jahre verändert. Wie stark Vertrauen die Fahrer Euren Empfehlungen, wenn es zum Beispiel darum geht nach einem Unfall schnell wieder einsatzfähig zu sein?
„Dies kommt ganz auf die Sichtweise des jeweiligen Piloten an. Dani Pedrosa wollte nach seinem Sturz 2016 in Motegi ziemlich schnell wieder zurück sein. In der Vergangenheit gab es bereits Piloten, die mit dem gleichen Problem schon etwas eher wieder auf dem Bike saßen. Es ist immer davon abhängig wie man dem Fahrer erklärt welche Risiken damit verbunden sind oder nicht und eine Sache wie man ihnen unsere Sichtweise erklärt, aber auch ihre Gefühle versteht. Pedrosa hatte bereits sechs Frakturen auf der linken Seite und vier mit dem rechten Schlüsselbein! Es ist unmenschlich und seine Anzahl an Verletzungen ist nicht normal! Du beziehst daher alle diese Dinge als Fahrer mit ein und entscheidest dann wie und wann Du zurückkommen kannst. Es ist natürlich immer ein Risiko für den Heilungsprozess, denn normalerweise benötigt so eine Verletzung drei Monate der Heilung, aber manchmal kannst Du keine drei Monate warten. Wenn es jedoch zu einer Kopfverletzung kommt, stoppen wir die Fahrer, denn manche Kopfverletzungen können folgenschwer sein.“
Steht Ihr auch außerhalb eines Rennwochenendes den Fahrern noch zur Verfügung?
„Manchmal kontaktieren uns die Piloten von zu Hause aus, wenn sie z.B. Fieber o.ä. haben, um unseren Rat zu hören, welche Therapie wir empfehlen würden oder welche Medikamente sie nehmen können oder nicht, aufgrund der Dopingregeln.„
Gab es in all den Jahren deiner Tätigkeit einen bestimmten Fall, der besonders komisch oder merkwürdig für Dich war?
„Wir haben viele Behandlungen im Clinica Mobile, nicht nur glorreiche Dinge, wie einen gebrochen Knochen zu fixieren um schnell wieder aufs Bike zu kommen. Manchmal haben wir einen Fahrer behandelt, der, nachdem er wieder auf dem Bike saß, gewonnen hatte oder auf dem Podium stand und niemand wusste, das er vorher noch Fieber hatte. In diesen Momenten wissen wir einfach mehr als ihr, das ist auch für uns manchmal etwas seltsam.“
Der 3. Juni vergangenes Jahr, der schicksalhafte Unfall und Tod von Luis Salom beim Grandprix in Barcelona wirkte für das ganze Fahrerlager und natürlich auch für die Fans des Motorradrennsports lähmend. Wie geht Ihr im Clinica Mobile mit solchen Unglücken um?
„Es ist nicht so einfach und in dieser Hinsicht ist es der schlimmste Job der Welt, denn als Doktor in einem Krankenhaus kennst Du die Patienten nicht die Du bekommst. Du behandelst sie einfach. Du versuchst einfach nicht daran zu denken, was passieren kann und wenn etwas passiert versuchst du nicht zuviel darüber nachzudenken, was genau passiert ist. Aber man denkt natürlich weiter an die Person. Ich stehe mit der Familie in Kontakt und ich sprach mit Luis Mutter Ende September. Ich war auch bei Marcos Unfall vor Ort und wir sind auch nach wie vor mit der Simonchelli Familie im Kontakt. Das einzige was wir tun können, ist weiterzumachen und die Familien zu unterstützen, so gut wir es können!“
Die mobile Klinik unterstützt seit nun mehr 30 Jahren nicht nur die Piloten im Fahrerlager, auch Teammitglieder, Streckenmitarbeiter und Pressetätige profitieren von der schnellen Vor-Ort-Versorgung. Was wäre das Fahrerlager 2017 ohne Euch?
„Dies müssten wir vielleicht das Fahrerlager fragen. In den meisten Fällen sind natürlich Freundschaften entstanden, denn wir verbringen viel Zeit miteinander. Es ist eine sehr schöne Freundschaft und ich denke das Fahrerlager versteht auch unsere Arbeit. Sie fühlen was wir tun und spüren unsere Unterstützung. Ich denke sie sind froh darüber, denn bei anderen Motorsportarten gibt es diese Möglichkeiten nicht, nur in der MotoGP und der World Superbike.“
Interview: Doreen Müller-Uhlig
erschienen in der Circuit 01/2017
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