Kolumne: Warum damals vielleicht alles besser war?
Vor einer geraumen Zeit sprach ich mit einem befreundeten Seitenwagen-Piloten über seine Rennsportlaufbahn in den letzten 50 Jahren. 50 Jahre aktiv unterwegs zu sein, ist schon eine Hausnummer, die man erstmal schaffen sollte! Dieser Freund fuhr in seinen jungen, wilden Jahren mit Größen wie Angel Nieto, Alex Barros und Jorge Martinez im Kreis und war sogar Werksfahrer für Römer Helme Neu-Ulm neben Reinhold Roth, Rolf Biland und Kurt Waltisperg. Er fuhr eigentlich alles was es damals in der WM gab: 50ccm, 80ccm, 125cm, 350ccm, 500ccm sowie Superbike oder die 24 Stundenrennen in Spa Franchorchamps!
Ich lauschte damals ganz gespannt seinen Geschichten, als er mir von seinen ersten Rennen als Belgier in einem deutschen Team berichtete oder wie er später Wilco Zeelenberg kennenlernte und auch für ihn Werksfahrer wurde. Vor allem hörte ich gespannt hin, als er berichtete wie die Zeit damals ablief. Zu seinen Anfängen in den 1967er Jahren fuhr man noch um Preisgelder oder um Währungspreise in der Junioren-Klasse. Es gab u.a. Schinken, einen Kasten Bier, Lebensmittelgutscheine für eine komplette Wochenversorgung. Ende der 70er/80er gab es 1000 Schweizer Franken nur wenn man sich qualifiziert hatte! Man lebte von dem was man sich dort beim Rennen einfuhr und man lebte davon deutlich besser, als man sich in seinem Hauptjob verdiente. Es fanden Mittwoch, Samstag und Sonntag Rennen statt. Man war das ganze Jahr permanent unterwegs um irgendwo ein Rennen mit nehmen zu können. Die Starterfeld waren stark gefüllt, es gab keine Startreihen sondern nur den Mensch und die Maschine und das Gerangel in der ersten Kurve um das beste Durchkommen.
Man schraubte selbst an seinem Motorrad und schaffte es damit sogar manchmal gegen eine Werksmaschine anzustinken. Die Sponsoren standen Schlange, schenkten einem Helme, Ketten, Benzin alles was man brauchte, eben nur weil man ein cooler Typ war oder einfach weil sie mochten was man da auf der Rennstrecke tat und nicht weil sie einen Nutzen aus der Werbung sich erhofften. Rennsport lief im Kino und im Fernsehen, die Menschen winkten einem zu und waren ganz bei einem. Es gab Gönner mit viel Geld, die vernarrt in den Rennsport waren und ihr Geld gern investierten ohne große Fragen zu stellen, was man da eigentlich tat. Man war der Held auf der Rennstrecke, ein Mann und sein Motorrad – das galt damals was! Traditionsreiche alte Strecken wurden befahren, die heute längst keine Bestand mehr haben bzw. die es nur noch selten im heutigen Rennkalender gibt. Das ganze Flair war anders! Die Welt war offen für den Rennsport!
Und wie ist dies heute? Heute ist es schwierig eine Serie gut auf die Beine zu bekommen, sie attraktiv zu gestalten, finanzierbar zu machen und potenzielle Fahrer damit anzulocken. Es ist schwer eine Rennstrecke am Leben zu erhalten, man kämpft gegen bürokratische Windmühlen und horrende Summen, die man investieren muss, wenn man einen Cup oder eine Meisterschaft auf stabile Füße stellen möchte. Man konkurriert mit Serien im Ausland und gräbt sich gegenseitig die Starterfelder ab. Man muss selbst Geld mitbringen um fahren zu können und ist selbst in der Moto2 oder Moto3-WM teilweise noch – pardon – eine arme Sau. Jeder redet sich gegenseitig schlecht. Keiner zieht an einem gemeinsamen Strang in die gleiche Richtung. Das Geld regiert den Rennsport und diktiert wie es dort zu laufen hat. Rennstrecken werden ins Nirvana gebaut, weil Jemand mit Geld sie da gern hin haben möchte. Tradition und Rennsportgeschichte auf dem Grund wo sie gebaut wurde dagegen Fehlanzeige. Gönner wie zur damaligen Zeit, die alles für den Rennsport gaben, gibt es sicherlich auch weiterhin aber kaum noch im Rennsport und kaum noch jene Gönner mit echtem Interesse für die Sache und mit echter Begeisterung. Diese Menschen findet man heute eher im Fußball, beim Golf oder bei den Darts.
Im Rennsport ist es mittlerweile soweit, das Fahrer wie Dominique Aegerter Spendenaktionen brauchen um weiter fahren zu können, sich Teams an russische Strohhalme klammern mussten, weil es sonst keinen Ausweg und keine Möglichkeiten gab zu bestehen. Junge Fahrer, die vielleicht Talent in sich haben und gefördert werden müssten kaum noch Sprungbretter haben um auf den richtigen sportlichen Weg zu kommen. Wer vor ein, zwei Jahren schon gedacht hat, dass es schlimm um den Rennsport in Deutschland stünde, der hat sicherlich nicht damit gerechnet was in diesem Jahr auf uns zu kommt. Rennsport-Untergang – das ist dein Jahr!
Das traditionelle Fischereihafenrennen was Ende 2017 bereits abgesagt wurde leitete eine Welle von rennsportlichen Katastrophen ein. Es folgte die Absage des ADAC Northern Europe Cups, aufgrund viel zu wenig Einschreiber. Wie es um die anderen deutschen Serien steht und den Junior Cup z.B. ist nur vage bekannt. Wenige Tage nach dem NEC-AUS gab Yamaha das Ende seines Yamaha-Cups nach 40 Jahren Bestehen, bekannt. Auch hier geht eine weitere Ära zu Ende. Die IDM, auch wenn sie es schafft sich immer wieder aufzubäumen und noch ein weiteres Jahr weiterzutragen, sie steht auf einem sterbenden Ast. Der Rennsport in Deutschland ist am Boden und alle schauen zu! Die goldene Ära des Rennsports sie ist längst bei uns Geschichte, was wir vielmehr sehen ist das dunkle und düstere Ende einer Zeit, die lange, lange zurück liegt.
Deutschland – wir brauchen Ideen und wir brauchen Macher mehr als je zuvor!
Und wir brauchen etwas von dem Zauber der guten alten Zeit!
Text: Doreen Müller-Uhlig
Foto: Privatarchiv
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