Auf wiedersehen, 2020!

„Wir“ sagen auf wiedersehen! Was zunächst wie ein Abschied klingt, ist vielleicht etwas irreführend und ich musste nun nachträglich doch nochmal etwas an meinem ursprünglichen Beitrag ändern, da ich einige Zuschriften bekam, warum ich denn aufhören wolle.
Tatsächlich habe ich mir viele Gedanken gemacht, ob ich überhaupt noch weiter machen möchte und will Euch mit diesem Beitrag gern mit durch meine Überlegungen nehmen. Ja er ist selbst für meine Verhältnisse sehr, sehr lang. Sorry vorab dafür, aber ich wollte und konnte mich bei dem Thema nicht kurzfassen. Es ist eine Art Teil-Abschied, zumindest von einem Teil meiner „Leserschaft“. Aber mehr dazu, wenn Ihr weiter lest…
Auch wenn ich im Hintergrund viele Kontakte und Helferlein habe, die mich in der Vergangenheit unterstützt haben, meine offenen Augen und Ohren an der Rennstrecke waren, wenn ich mal nicht da sein konnte oder einfach nur mein Kind mir abgenommen haben, stehe ich nach wie vor alleine für die Inhalte auf dieser Seite ein und auch dafür wie viele Inhalte hier erscheinen und was publiziert wird.
In den letzten beiden Jahren war es allgemein etwas weniger betriebsam. 2019 aufgrund meiner Schwangerschaft und der Geburt. In diesem Jahr hatte es neben Corona und den abgesagten Veranstaltungen auch andere Gründe, warum ich nur das Notwendigste gemacht habe.
Ganz einfach: Ich bin „müde geworden“ ihr Lieben.
In den letzten beiden Jahren stellte ich mir oft die Frage, für wen oder was ich dies hier eigentlich mache. Eines kann ich vorweg nehmen, finanzieller Reichtum und Anerkennung im Kollegenkreis kann ich als „Semi-Journalistin“ nicht erwarten.
Meinen Lebensunterhalt muss ich wie manch anderer mit einem 40 Std.- Job verdienen, der manchmal auch einige Nachtschichten und Überstunden von mir verlangt hat und in den ich ebenfalls sehr viel Kraft investiert habe. Wie die wenigsten wissen bin ich nicht hauptberuflich Pressetante, sondern arbeite mit Kindern und Jugendlichen in der stationären Jugendhilfe. Derzeit bin ich jedoch in Elternzeit und froh drum, auch wenn das finanzielle Polster deutlich geschrumpft ist. Verdienen tue ich an meiner Seite nämlich nichts, keinen Cent.
Im Gegenteil, allein 300€ pro Jahr kostet es mich, dass ich diese Seite hier überhaupt benutze und aktuell finanziert sich dieses Hobby, wie bei manchen Gespannlern aus den Ersparnissen.
Dazu kommen monatlich 15€ für Lightroom um Fotos bearbeiten zu können sowie Kosten für Strato um eine .de- Adresse nutzen zu dürfen. Hinzu noch der Aufwand und Materialkosten um überhaupt an der Rennstrecke zu sein, auch wenn diese sich im Vergleich zu Auslandsreisen in der MotoGP im Rahmen hält. Wie bei so manchem Hobbyracer kostet das liebe „Hobby“ eben dennoch richtig Kohle. Meinem Steuerberater vergeht zumindest alljährlich das Lachen, wenn ich mit meiner Umsatzsteuererklärung zu ihm komme und kaum Einnahmen zu verzeichnen habe. Er schimpft schon immer mit mir und meint: Frau Müller-Uhlig, Sie müssen Gewinne machen!
Und dennoch ist „Der Beifahrer“ irgendwie auch wie mein Baby, in das man Zeit, Liebe und Geld investiert, um es wachsen zu sehen.
Allerdings nagt das, was das Pressegeschäft so mit sich bringt, doch immer mal wieder an einem. Bei einer Mutter eines einjährigen Sohnes, der seine liebe „Mamama“ manchmal mit einer Klimperkiste teilen muss, vielleicht nochmal um so mehr weil man als Mamatier irgendwie auch empfänglicher für Kritik wird. Was manche Leser vielleicht nicht wissen- auch als Pressefuzzi ist man nun mal ein Mensch. Mag man zwar gar nicht glauben, wenn man hinter jedem Pressevertreter die Lügenpresse oder unfähige Leute vermutet, ist in der Tat aber oft so.
Für die vielen Stunden an der Strecke, um Fotos zu knipsen oder Beiträge zu recherchieren und zu veröffentlichen, bekommt man wenig Anerkennung – dafür aber regelmäßig einen auf den Deckel wenn etwas vermeintlich nicht korrekt ist oder man nicht jeden erwähnt hat. Hinzukommen die langen Abende an so einem Wochenende, wo man versucht mit Teams und Fahrern ins Gespräch zu kommen aber gleichzeitig sein Kind ins Bett bringen möchte und nicht wieder erst 22:00 Uhr Feierabend haben will, weil man am nächsten Tag schon um 7 Uhr erneut aufsteht. Macht man dann „durch“ oder geht man zu Mann und Kind, die schon den halben Tag auf einen verzichtet haben?
Auch wenn das Wochenende vorbei ist, ist die Arbeit noch nicht getan. Denn dann heißt es Nachbereitung, tausende Fotos sichten, bearbeiten, hochladen, Anfragen bearbeiten ggf. Presseartikel schreiben und weiterleiten. Auch das kostet noch einmal Zeit, von der ich am Ende nichts habe, außer das Ihr durch meine Beiträge klickt, sie heimlich lest und wenn ich Glück habe auch mal ein gefällt mir da lasst. Das ist der einzige Lohn den man hat, ein gefällt mir und ein zufriedenes Lächeln, wenn man findet das bei den Fotos doch ein paar gut gelungene Schüsse dabei waren.
Ich habe Niemanden, der mir Geld zu steckt für die Sachen, die ich schreibe. Ich bin bei keinem Medium angestellt, finanziere mich nicht aus Anzeigen oder habe im Hintergrund keine Agentur laufen, die mir das Geschäft sichert. Ich habe nur mich und Euch.
Natürlich habe ich mir das Ganze ausgesucht. Ihr habt Recht. Ich habe es mir selbst ausgesucht mit meinem Namen unter meinen Artikeln dafür gerade zu stehen, was ich da eigentlich geschrieben habe und ich habe es mir selbst ausgesucht als öffentliches Gesicht mich angreifbar zu machen.
Aber ist es das alles noch Wert?
Ich erinnere mich noch wie heute daran, als ich damals am Sachsenring zur Motorradweltmeisterschaft (ich noch vollkommen Fahrerlagerunerfahren und nix mit Presse am Hut) einer quirligen jungen Dame, der lieben Katrin Meyer auch „Hexe“ genannt, begegnete, die ich noch aus der IDM kannte und die zu mir meinte „sie wäre wegen den Seitenwagen hier“. An dieser Stelle viele Grüße an Dich, Katrin. Ich schaute sie verwundert an und fragte mich- „Was denn, die Seitenwagen gibt es noch?“ Weder in Funk und Fernsehen, noch in der Presse hab ich davon jemals etwas gesehen, geschweige denn gelesen oder gehört. Das fand ich sehr schade.
Als sich unsere Wege später wieder kreuzten, hatte ich mein Faible fürs Schreiben entdeckt und bin über Katrin zu Dennis Witschel und „Racetrack News“ gekommen. Mein erstes Interview mit Markus Reiterberger bei der IDM in Schleiz hatte ich ihr zu verdanken. Sie hatte den Kontakt für mich hergestellt und mir auch die Anfängerangst genommen, dass ich mich zu blöd anstelle. Genau dort sprangen mir förmlich wieder die Seitenwagen ins Auge.
Ich habe mir damals gedacht – „Dass gibt es doch nicht, dass man über so einen tollen Sport so wenig liest oder hört. Das möchte ich ändern“. Und so landete ich irgendwie schließlich bei Eckart Rösinger und der Sidecar Trophy, die für einige WM- und IDM-Piloten und Beifahrer die Wiege ihrer Karriere ist. In dieser Serie haben nicht nur einige Neueinsteiger ihren Anfang gefunden, auch ich habe, wie Eckart immer so schön sagte „da, das laufen gelernt“ und wurde herzlich aufgenommen.
Als ich kürzlich Kees Endeveld fragte, warum er zum Trainieren in die Trophy kommt, sagte er sinngemäß „hier sind meine Anfänge, es ist wie nach Hause kommen.“ Ein Gefühl was ich kenne und jedes mal habe, wenn ich auf den Platz komme. Es ist nicht nur ein „Job“ – es ist Familie! Ich denke und bei manchen schreibenden Kollegen weiß ich es auch, ist es etwas was manche untereinander irgendwie unterscheidet. Für die einen ist es nur „ein Job“ – für andere ist es viel mehr.
In den kommenden Jahren habe ich versucht mir technisches Knowhow anzueignen um nicht ganz so blöd dazustehen, habe Rennprozesse und Livetimings studiert, mir das Reglement von A bis Z erklären lassen, Hintergründe hinterfragt, die Teams mit Fragen nach dem Rennen gelöchert und nach und nach in dieser Szene so viele liebenswerte Menschen, aber auch gleichzeitig ehrgeizige und harte Sportler kennen gelernt.
Oft habe ich auch einstecken müssen, Kritik und Seitenhiebe bekommen für meine „Arbeit“. „Wieso schreibst Du nur über den… oder nur über die Serie .. deine Texte sind zu lang … du bist zu emotional… du bist nicht gut genug…“ und jedes mal habe ich mir diese Worte auch wirklich zu Herzen genommen. Ich habe versucht mich an den Zirkus stetig anzupassen, ohne mir selbst untreu zu werden.
Bis heute teile ich z.B. noch die Meinung, du kannst nur selbst gut in etwas sein, wenn du weißt wovon du redest. Sprich, wenn du z.B. selbst Motorrad fährst oder im Gespann gesessen hast. Letzteres habe ich, bis auf ein paar Meter im Fahrerlager noch nie. Ein wichtiges To-Do auf meiner Liste und ich werde das auch tun, irgendwann wenn es passt.
Auf der anderen Seite habe ich in all den Jahren in den Fahrerlagern der MotoGP, IDM, Seitenwagen WM oder Sidecar Trophy mittlerweile so viele Geschichten gehört, mit denen man ein ganzes Buch füllen konnte. Manche sind im Freudentaumel einem erzählt worden, manche Sachen wurden einem in der ersten Wut nach einem verlorenen Rennen erzählt und manche einem beim abendlichen Zusammensitzen und 1,2,3 oder 4 Weinchen anvertraut worden.
Ganz sicher sind darunter auch einige Dinge dabei gewesen, die eine fette Schlagzeile wert gewesen wären. Und ganz oft bin ich mir mit meinem Gesprächspartner dann einig gewesen – „Doreen, das schreibst du aber nicht“. Ein Versprechen, was ich bis heute nicht gebrochen habe und wo ich ebenfalls weiß, das mich das von anderen Menschen unterscheidet.
Es ist mit solchen Heimlichkeiten eben wie mit einem guten Wein. So verlockend und süß er riechen mag. Letztlich trinkt ihn und genießt man ihn in trauter Runde und teilt ihn nur ungern. Mit besonders heiklen Dingen habe ich es daher auch so gehandhabt, weil ich es mir einfach leisten konnte und auch heute noch kann, nicht jede Geschichte erzählen zu müssen.
Ist es einerseits ein Manko kein Geld damit zu verdienen, so ist es anderseits auch schön nicht vorgeschrieben zu bekommen, wie meine Artikel auszusehen haben, wie sie klingen müssen und wieviel Leser sie generieren sollen. Ich muss eben nicht, dieses und jenes machen.
Allerdings tat ich es in den letzten Jahren gern.
Mit der Zeit und der wachsenden Reichweite ist es immer schwerer geworden, es allen Recht machen zu können, jedem die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken und so wenig wie möglich Fehler zu machen. Der Sport, egal in welcher Serie ist eben irgendwo doch eine riesige Geldmaschinerie und dort wo es besonders um viel Geld und Ansehen geht, ruft das natürlich oftmals auch Menschen auf den Plan, die generell nicht mit dem einverstanden sind was man tut und wie man es tut und die einen generell mit denjenigen in einen Topf werfen, welche hinter jeder Ecke eine Schlagzeile vermuten.
Das macht es nicht leichter seinen eigentlichen Zielen immer treu zu bleiben, immer ein offenes Ohr für Kritik zu haben und noch Freude am Schreiben zu finden und die Grundidee, die man hatte, auch nach Jahren immer weiter zu verfolgen. Nämlich nicht Schlagzeilen zu generieren sondern Menschen den Gespannsport zu zeigen und sie möglichst bildhaft an dem Renngeschehen in der Seitenwagenszene teilhaben zu lassen. Und es macht es auch schwer als eine Person allein über alle Serien zu berichten, Fotos zu machen und gleichzeitig Mama und Ehefrau und Unterstützerin eines erfolgreichen Beifahrers zu sein.
Ich kann und ich möchte nicht mehr allen Lesern gerecht werden. Das kann ich nicht. Daher sage ich auf wiedersehen zu genau diesen Lesern, die immer wieder etwas auszusetzen haben. Ihr raubt mir Energie, die ich ab sofort wieder da einsetzen möchte, wo es etwas bringt.
Auf wiedersehen zu diejenigen, die meine Arbeit nicht mögen und nicht zu schätzen wissen, wieviel Zeit und Aufwand es kostet so eine Seite einigermaßen zu betreiben.
Auf wiedersehen zu denjenigen, die mich hintenrum kritisieren und andere Menschen vorschicken, die mir sagen sollen, dass sie etwas stört. Ich bin vielleicht nicht hochprofessionell, aber die feine Art ist das von meinen Kritikern auch nicht.
Daher ganz besonders auf wiedersehen den heimlichen Beobachtern und Mitlesern, die im kritisieren groß und laut sind, wenn es aber um konstruktive Zwiegespräche geht, verstummen. Wäre es nicht besser im Fahrerlager direkt zu mir zu kommen, wenn einen etwas stört oder man sich nicht genug beachtet findet?
Auf wiedersehen Euch, die ihr mich leider nicht mehr lesen mögt, weil Euch meine Beiträge zu lang, zu emotional, zu unfachlich oder was auch immer sind oder weil ich Euch gerade zu anmaßend rüber komme. Sorry, ich weiß nicht wie ich es hätte höflich formulieren sollen.
Es ist auf der einen Seite schade, vielleicht den einen oder anderen Leser zu verlieren, aber ich muss nicht zwangsläufig tausende Leser haben. Es ist wie Freundschaften, lieber nur wenige Freunde, dafür ehrliche.
I am what I am!
Meinen ehrlichen Lesern gehört weiter meine Zukunft und ich freue mich auf offene Gespräche mit Euch.
Ich freue mich über ein nettes
„Hallo, ich kenne Dich doch“,
ein liebes Danke für den Bericht,
ein Lob für getätigte Aufnahmen ….
aber auch wenn ihr mich zur Seite nehmt und mir in normaler Art und Weise sagt, wenn etwas was ich geschrieben habe nicht so toll war. Natürlich dürft Ihr mir sagen, wenn Ihr etwas nicht mögt. Aber der Ton macht die Musik.
Und wenn Ihr Euch mal wieder über Jemanden von der Pressefraktion aufregt, dann denkt bitte daran, dass Pressemenschen auch nur Menschen sind und man durchaus mit ihnen vernünftig reden kann und vor allem persönlich mit ihnen sprechen sollte, wenn einen etwas stört.
In dem Sinne: auf ein Wiedersehen an Euch Alle – „meine zweite Familie“- in 2021!
Einem Jahr, was, wie wir alle hoffen, schönen, spannenden Gespannsport bringt, dem man wieder hautnah mitfiebern kann und über den ich dann hoffentlich wieder mit viel Ehrgeiz und vorallem Freude schreiben kann und darf!
Eure „Beifahrerin“ – Doreen Müller-Uhlig
Das Foto stammt von meiner lieben tschechischen Kollegin Martha Kopecka, entstanden auf meiner letzten Rennveranstaltung 2019.
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