Interview: Dominique Aegerter – „Ich habe immernoch Benzin im Blut!“

Nach mehreren Siegen in Folge ist Dominique Aegerter mit 37 Punkten Vorsprung absoluter Spitzenreiter in der Supersport-WM und möchte auch im MotoE World Cup bis ganz nach oben. Der gebürtige Schweizer befindet sich im besten Renn-Fahreralter und kann aufgrund seiner reichen Rennsport-Erfahrung nicht nur in der zweitwichtigsten Klasse der „Superbike Szene“ punkten. Im Interview sprachen wir daher mit ihm über seine Karriere, seine Zeit in der MotoE, über Ziele, die er noch hat und welche Chancen er den Motorrädern mit den Elektromotoren in Zukunft einräumt.
Dominique, für Dich ist es bereits das zweite Jahr mit Dynavolt Intact GP im MotoE World Cup. Was hat sich in dieser Saison für Dich verändert?
„Letztes Jahr war natürlich das Bike für mich neu, das Team. Im Vergleich dazu hat sich in diesem Jahr am Motorrad aber eigentlich nicht viel verändert. Wir haben einen neuen Hinterreifen bekommen, ein Update an der Vordergabel und eine Kühlung, die man nach und vor dem Fahren anmachen kann damit man die Motoren und die Batterie runterkühlen kann. Das hat aber nichts mit besserem Fahren zu tun.“
Nach vier Podestplätzen im vergangenen Jahr und dem MotoE-Titel vor Augen dürfte Deine Zielstellung für dieses Jahr in dieser Klasse klar sein, oder?
„Stimmt. Letztes Jahr war ich supergut unterwegs und bin mit fast 20 Punkten Vorsprung Erster gewesen, hatte dann allerdings zweimal Pech und bin abgeschossen worden und bin im Endklassement Dritter geworden mit genauso viel Punkten wie der Zweite. Das war sicherlich ärgerlich in der letzten Saison. Bis jetzt lief es ja auch sehr gut. Leider bin ich in Assen gestürzt, weil ich zu viel gepusht habe und dadurch bin ich momentan Vierter. In den nächsten Rennen möchte ich somit ganz klar um das Podium und den Sieg kämpfen und ich hoffe, dass ich zum Schluss auch um den Titel kämpfen kann.“
Wie soll es für Dich anschließend weiter gehen, wenn dies gelungen ist? Träumst Du nach wie vor von einer Rückkehr in die Motorradweltmeisterschaft oder haben sich Deine Ziele dahingehend verändert?
“Meine Ziele und Träume haben sich natürlich angepasst, vorher war das Moto2 und MotoGP und jetzt bin ich in der MotoE und im Supersport. Klar wäre der Traum wieder zurück in die Moto2 zu kommen oder gar MotoGP zu fahren, was aber als Schweizer mit 30 Jahren schwierig ist. So ist eigentlich mein Plan weiter MotoE oder Supersport zu fahren oder in ein Werksteam bei der Superbike zu kommen.“
Anfänglich hast Du die MotoE als eine Art Zwischenhalt in Deiner Karriere betrachtet. Wie stehst Du momentan zu dieser Aussage?
„Ich habe immer noch Benzin im Blut! Letztes Jahr wo ich in die MotoE gekommen bin, wollte ich das als Zwischenjahr nutzen um allen zu zeigen, dass ich noch schnell Motorrad fahren kann und habe gehofft, dass ich dann zurück in die Moto2 kommen könnte, aber mich wollte kein Team und auch die Coronazeit hat das ein bisschen schwierig gemacht. Es ist natürlich trotzdem cool die MotoE weiterzuentwickeln. Es ist eine interessante Phase und ich hoffe, dass die gesamte Entwicklung noch etwas schneller geht, man schnellere Zeiten und mehrere Runden fahren könnte.“






Nun fährst Du ja nicht nur im MotoE World Cup, sondern bist gleichzeitig mit Ten Kate Yamaha in der Supersport-WM erfolgreich unterwegs und führst dort aktuell die Gesamtwertung an. Wie schwierig ist es für Dich zwischen diesen beiden Meisterschaften und den beiden Motorrädern hin und herzuwechseln und worin besteht die Besonderheit der jeweiligen Klassen?
„Es ist für mich kein Problem, wenn das zwei verschiedene Motorräder sind, weil ich auch die Erfahrungen habe, dass ich das im Kopf umstellen kann. Der Wechsel zurück auf die Supersport-Maschine klappt zwar etwas besser, weil die Yamaha einem normalen Motorrad mehr ähnelt. Die MotoE ist hingegen ein bisschen schwieriger. Ein Elektromotorrad fährt sich einfach ganz anders. Vom Gas aufmachen her ist es in den langsamen Kurven viel aggressiver mit dem Gas, du hast sehr viel Power und Drehmoment und in den langgezogenen Kurven kannst du ziemlich schnell Vollgas geben. Bisher hat es aber immer ziemlich gut geklappt, auch wenn ich ein paar Tage zuvor noch Testen gewesen bin und wenige Tage später wieder auf der MotoE sitze, bin ich gleich 0,1 Sekunden hinter der Spitze. Es ist alles ein bisschen speziell. Zunächst haben wir keine richtigen Daten vom vorherigen Jahr, weil wir auf den meisten Strecken das erste Mal sind oder die Daten, die wir haben, ein bisschen zu langsam sind. Des Weiteren gibt es keinen Teamkollegen, somit können wir uns da auch nicht vergleichen. Auf der anderen Seite haben wir nur sechs Runden zu fahren und dann ist die Batterie leer. Es ist somit eine kurze Zeit, bei der man sich voll konzentrieren muss und alles gut vorbereitet sein muss, sodass man die Runden gut hinbekommt. Das ist schon alles mit viel Druck und Adrenalin verbunden. Aber alle anderen Vorbereitungen, die ich mache, mental, mit dem Team, Fitness usw. mache ich wie vorher.“
Worin liegt Deiner Meinung nach die größte Herausforderung in dieser Meisterschaft?
„Die MotoE ist eine sehr kurze Meisterschaft, bei der man in allen Rennen super performen muss, was mir in Assen leider nicht gelungen ist. Ich habe alles gegeben, bin jedoch gestürzt. So ein Fehler sollte nicht passieren! Aber ich gebe nicht auf! Wir haben noch drei Rennen zu fahren und noch ist alles drin.“
Bei unserer letzten Frage möchten wir Dich bitten einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wo siehst Du den Motorradrennsport in ein paar Jahren? Ist es für Dich vorstellbar, dass es künftig Motorsport ganz ohne Verbrennermotoren gibt und irgendwann im Sport gänzlich auf Elektromotoren gesetzt wird?
„Das ist schwierig für mich zu sagen. Ich möchte das an dieser Stelle mit der Formel E vergleichen. Dort haben sie vor fast 10 Jahren angefangen und viel in die Entwicklung investiert. Die Autos haben sich in kurzer Zeit sehr stark verbessert, auch weil die Autoindustrie das ziemlich gepusht hat und verschiedene Hersteller mitgewirkt haben. In der MotoE gibt es momentan nur den einen Hersteller, der das macht. Es wird nicht wirklich viel weiterentwickelt und das Motorrad ist von dem her noch auf dem Stand wie vor drei Jahren. Ein Motorradfahrer braucht, denke ich schon das Feeling, den Sound, wenn es etwas stinkt und man den Motor hört. Vielleicht in ein paar Jahren kann es sein, dass die nächste Generation mal aufwächst mit mehr E-Motoren und man ihnen dann ein Motorrad hinstellt was Lärm macht und sie fragen, was das für ein Quatsch ist. Aber ich denke die Generation jetzt und die Nächste ist noch voll beim Motorradsport mit Benzin und dass das ein bisschen gasen muss und Lärm machen muss. Es könnte interessant werden, wenn das Motorrad so schnell wird und so viele Runden fahren kann, wie ein MotoGP-Bike. Dann wird die Klasse sehr interessant, aber jetzt fahren wir ja Zeiten langsamer als die Moto3, von dem her ist da noch sehr viel Entwicklungsarbeit zu tun.“
Text: Doreen Müller-Uhlig
Fotos: Ronny Lekl
erschienen in der Circuit 3 / 2021
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