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Grazie Vale – der letzte Tanz einer großen Legende

An einem wunderschönen, warmen, herbstlichen Rennsonntag war alles angerichtet für ein letztes Kräftemessen der Königsklasse in Valencia und für einen denkwürdigen Abschied von Valentino Rossi. Das dieser Tag irgendwann kommen würde, war jedem Motorsportfan klar, um so passender das Datum an dem dies passieren sollte: 14+11+21=46!

Zufall oder schicksalhafte Fügung, die gesamte Motorsportwelt verneigte sich an diesem Wochenende vor dem größten Motorradsportler aller Zeiten, der sein letztes MotoGP-Rennen in einer langen und erfolgreichen Karriere bestritt. Alles andere als Zufall war hingegen der Aufstieg, des damals jungen Rossi, der zu Beginn seiner Laufbahn wahrscheinlich nicht im Traum daran gedacht hätte, was er in den kommenden Jahren alles erreichen würde.

Bereits Vater Graziano Rossi fuhr in der Motorrad-WM und so war es fast logisch, dass der Nachwuchs seinem Vater nacheiferte. Bereits mit zwei Jahren bekam Valentino sein erstes kleines Motorrad. Die ersten Schritte im Rennsport unternahm er jedoch zunächst im Kartsport, wechselte anschließend zu regionalen Motorrad-Meisterschaften, wo er der Konkurrenz gehörig um die Ohren fuhr. Nach seinem Einstieg 1996 in die 125er Klasse der Motorrad-Weltmeisterschaft ging es für den damals 17-Jährigen steil bergauf.

Innerhalb von sieben Jahren gewann Rossi vier Weltmeisterschaften in vier verschiedenen Klassen. Nachdem er den Titel dreimal in Folge auf einer überlegenen Honda holte, wechselte der Italiener zu Yamaha, einem bis dato nicht konkurrenzfähigem Team, und verhalf dem japanischen Motorradhersteller zu neuem Glanz. Seinen ersten Sieg auf Yamaha holte er quasi ohne Vorbereitungen, denn aufgrund einer Vertragsklausel von Honda war nur ein Test für ihn auf der M1 möglich. Das erste Treffen mit seiner Yamaha M1 in Malaysia war jedoch Liebe auf den ersten Blick.

Eine unglaubliche Liebesgeschichte begann und Valentino Rossi wurde von da an zum absoluten Superstar. Abseits der Strecke verhalfen ihm seine gewinnende, herzliche Art und seine lässigen Sprüche zum Ausbau einer Weltmarke. Aber der immer lächelnde Valentino hatte in seiner Laufbahn auch viele schwierige Momente erlebt. Momente, wie der 23. Oktober 2011einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der MotoGP als Marco Simonchelli beim Großen Preis von Malaysia in Sepang nach einem Zusammenstoß mit Colin Edwards und Valentino Rossi tödlich verunglückte. Innerlich hielt man als Rossi-Fan den Atem an, weil jeder der dies damals mitverfolgte, sich fragte ob er nach so einem Erlebnis weitermachen wird.

Schon nach seinem schweren Sturz ein Jahr zuvor in Mugello, bei dem er sich erstmals schwer verletzte, war spürbar, dass der Doktor an seiner sonst so unbeschwerten Fahrweise eingebüßt hatte. Seine Art mit Verletzungen umzugehen, zeigten allerdings was Rossi jahrelang antrieb. Bestes Beispiel hierfür war unter anderem sein Enduro-Unfall in Borgo Pace 2017. Damals kehrte „Vale“ nur 20 Tage nach seiner Schien- und Wadenbein-OP auf seine Yamaha zurück und wurde im Rennen mit nur 5,8 Sekunden Rückstand auf Weltmeister Marc Marquez Fünfter!

Nie aufzugeben, zählte bis heute zu den wichtigsten Dingen, die der 42-Jährige seiner Anhängerschaft vermittelte. So war es nicht verwunderlich, das Valentino Rossi Anfang 2021 sich dazu entschied, seine 22.Saison in der Königsklasse im Petronas Yamaha Team fortzusetzen. „Ehrlich gesagt 2020 und auch im Vorjahr war ich noch nicht bereit, mit dem MotoGP-Fahren aufzuhören. Denn ich wollte vorher noch alles ausprobieren und verstehen, ob ich noch einmal an die Spitze vorstoßen kann“, begründete der Doktor seinen damaligen Entschluss weiterzumachen.

Eigentlich hätte er schon da Niemanden mehr etwas beweisen müssen. In seiner 26-jährigen Karriere hat, der motorsportbegeisterte Junge von einst, welcher als Kind einfach der schnellste Motorradrennfahrer sein wollte, alles erreicht. Neun Weltmeistertitel, zahlreiche Rekorde und einer der beliebteste Motorradrennfahrer der modernen Ära, in nahezu jedem Land der Welt kennt man die gelbe Startnummer mit der 46.

Aufgeben ist und war einfach nie Rossi´s Ding!

Der Italiener ist ein Wettkämpfer, der wenn er sich nicht auf der Strecke mit seinen Kontrahenten messen kann, versucht das Rennen gegen seine eigenen inneren Ansprüche und seine innere Uhr zu gewinnen. Einen MotoGP-Ruhestand ohne Geschwindigkeit und Motoren war zur Freude seiner zahlreichen Fans lange nicht für ihn vorstellbar. Folglich vermied er es auch von einem möglichen Rücktritt zu sprechen.

Doch im Sommer dieses Jahres verkündete Valentino Rossi schließlich das, was irgendwie schon alle Welt ahnte: seinen Abschied zum Ende der Saison 2021, nachdem das Jahr bis dahin nicht so verlief, wie er es erhofft hatte. Im Vorfeld wurde mancherorts bereits jedoch schon eher gemutmaßt, ob er den rechtzeitigen Absprung verpasste. Doch hat er das wirklich? Eigentlich nicht. „What If I had never tried It“, war nicht nur der Titel einer seiner ersten Autobiografien, es war auch sein Lebensmotto.

Seine Karriere zu beenden, ohne einen weiteren Versuch zu wagen? Nein, so tickte der neunfache Weltmeister einfach nicht. Zum Glück! Denn sonst wären uns viele unvergessliche Momente in „Gelb“ verloren gegangen. Momente, wie sein würdevoller Abschied mit Platz 10 bei seinem 432. und letzten Rennen. Rossi ist eine Legende, dessen Errungenschaften für den Motorradrennsport einem besonders bei seinem letzten Tanz in Valencia noch einmal gewahr wurden. Unvergessen bleiben seine Titelgewinne, wie 2001, als er den letzten 500-ccm-Titel der GP-Geschichte gewonnen hatte oder 2004, als er in seinem ersten Jahr bei Yamaha die MotoGP-Weltmeisterschaft für seinen neuen Rennstall entscheiden konnte. 

Auch das Jahr 2008 war ein ganz besonderes, denn schon damals zählte Valentino Rossi mit seinen 30 Jahren schon fast zum alten Eisen. Der Wechsel von Michelin zu Bridgestone kam ihm jedoch gerade recht und plötzlich konnte er nach den verlorenen Meisterschaften wieder an der Spitze mitfahren und sich gegen Lorenzo, Stoner und Pedrosa durchsetzen und zwei weitere Weltmeistertitel gewinnen. Er ist einer der wenigen Rennpiloten, die sich in ihrer Karriere von nichts und Niemanden aufhalten ließen. Jede technische Neuerung hat Rossi mit gemacht, sich immer wieder an seine Konkurrenten angepasst, auf neue Fahrstile eingestellt, verschiedene Reifenhersteller in der Motorrad-Weltmeisterschaft miterlebt.

Seiner Nummer „46“ ist er trotz gewonnener Weltmeistertitel jedoch in all den Jahren treu geblieben. Viele nachfolgende Champions ob in der MotoGP oder in der Formel 1 folgten seinem Beispiel nach. Was bleibt sind nicht nur die vielen wundervollen Erinnerungen an eine beeindruckende Laufbahn, sondern vor allem auch sein Vermächtnis, welches in dem italienischen Motorradnachwuchs der VR46 Academy fortgeführt wird. Franco Morbildelli, Francesco Bagnaia, Luca Marini sind nur drei der Spitzenpiloten, die, die Talenteschmiede bis heute hervorgebracht hat und die sich mittlerweile selbst in der Königsklasse unter Beweis stellen.

Rossi könnte nicht stolzer sein auf so eine erfolgreiche Nachkommenschaft! Den letzten Sieg der Saison holte sich, wie könnte es nicht besser sein, ein Fahrer aus seiner Akademie: Francesco Bagnaia (Ducati). Mit Feuerwerk und Standing Ovations feierten die Fans abschließend ihr Idol Valentino Rossi in der Auslaufrunde und nach Zieldurchfahrt….

….. und sagten damit ein letztes Mal: Grazie Vale!

Text: Doreen Müller-Uhlig

Fotos: Ronny Lekl

erschienen in der CIRCUIT 04/2021

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