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Sprechstunde Dr. Frühling: Was ist denn so toll an den Dingern?

So, jetzt etwas, was mich tatsächlich sehr beschäftigt hat:

Herr W.:

ich war ja schon öfter bei der IDM, und wenn die Gespanne kommen, dann gehe ich immer. Da kommen so ein paar komische Dinger angerollt, die haben doch nichts mehr mit nem Motorrad zu tun. Und dann nur die paar Dinger? Das ist doch keine Meisterschaft.

Auf den Classic Veranstaltungen sind ja auch immer Gespanne, die sehen wenigstens noch gut aus, aber die sind doch lahm. Und nur alte Säcke am Start. Was ist denn so toll an den Dingern?

Autsch. Das war ungefiltert von jemanden, der noch nie wirklich was mit Gespannen zu tun hatte.

Und der hat zielsicher all unsere Kernprobleme kurz und prägnant zusammengefasst. Auf dieses Gespräch hin habe ich tatsächlich so eine kleine Recherche gestartet. Heißt, unsere Kundschaft durfte dämliche Fragen von mir beantworten und wurde dafür mit Kaffee bestochen.

Fangen wir mit dem offensichtlichen an: Ein modernes F1 sieht für Unerleuchtete aus wie ein kaputter Formelwagen. Flach, breit, jede Menge Plastik, drei Räder und der Hampelmann muss das fehlende Rad ausgleichen. Auch wenn ich fasziniert bin von der Technik, die da drin steckt: Schön ist anders. Das muss man echt mögen. Ist wie bei hässlichen Kindern, die liebt auch nur die Familie.

Vor allem sind das so eigene Fahrzeuge, dass eine Markenbindung nicht möglich ist. Bei der Moto GP z.B. sind bestimmte Namen fest mit bestimmten Marken verknüpft. Rossi=Yamaha, Marquez=Honda. Bei Gespannen gab es das auch mal. Damals. Früher. Zur guten, alten Zeit. Aber heute? Da wissen nur Insider, was für einen Motor z.B. Ellis, Reeves oder Schlosser fahren. Der Rest kann noch nicht mal was mit den Namen anfangen. Da gibt es keine Markenbindung für die breite Masse. Von daher gibt es auch keine Sponsoren, die ein Interesse haben, diese Szene zu unterstützen, denn, wenn außerhalb dieser Szene die wenigsten wissen, wer überhaupt der amtierende Weltmeister ist, lohnt sich das nicht.

Ja, und dann das Top-Problem in den Top-Klassen….. Ich sag mal so, wenn dieser Sport extrem teuer gemacht wird, sei es durch Reglementänderungen oder durch vorgeschriebene oder nicht verhinderte Materialschlacht, dann ist irgendwann ein Punkt erreicht, an dem sich manche diesen Spaß schlicht nicht mehr leisten können oder wollen. Wenn dann noch versäumt wird, eine Schiene aufzubauen, in der das Thema Gespanne in der Breite irgendwie gefördert oder gar professionalisiert wird, dann brechen die Starter weg. Wie ich das meine? Es gibt eine Klitzekleine Anzahl bezahlter Teams. Oder dick gesponserte Teams. Die können auch ein wenig mit dem Material aasen. Die müssen nicht jeden Cent dreimal umdrehen und überlegen, ob die Reifen reichen fürs Wochenende, denn, wenn sie das volle Paket haben wollen, dann nehmen sie halt Sponsorgeld und das eigene.. Das sind die Glücklichen. Die meisten Gespanntreiber zahlen fürs Fahren sehr viel aus der eigenen Tasche. Sie zahlen Gespann, Material, Nennung, Anreise usw. Sie zahlen. Sie zahlen jede Reglementänderung erst mal teuer mit, wenn wieder alles mögliche neu angeschafft werden muss, sie zahlen jede Ortsänderung, sie zahlen einfach brav immer weiter. Da bleibt kein Geld für jeden technischen Vorteil mehr übrig. Da müsste dann auch mal dran gedacht werden, wenn wieder irgendwelche Kommissare eine Änderung raushauen für die Sidecars. Oder die Klamottenvorschriften an irgendwas knüpfen, ohne darüber nachzudenken, was der Spaß denn zusätzlich kostet…..

Wenn z.B. kein Limit bei diversen Tuningmaßnahmen besteht, oder dieses Limit extrem hoch angesetzt ist, dann können sich das nur wenige Teams leisten. Wir wissen alle, die letzten Zehntel sind die teuersten und empfindlichsten. Dafür muss Geld da sein. Da hilft dir auch das beste Können nichts.

Dann gibt es nur eine sehr überschaubare Anzahl an Trainingsmöglichkeiten. Jeder Hinterhofmotocrossverein trainiert den Nachwuchs auf Teufel komm raus. Da gibt es Trainingswochenenden und Möglichkeiten ohne Ende, und wenn dafür der eigene Garten umgepflügt wird. Ok, ist halt auch möglich, mit den Gespannen halt eher nicht. Aber, wenn für viele die eine Woche Trainingslager quasi alles ist, wo sie überhaupt trainieren können, um dann mit immer noch nahezu null Erfahrung in die ersten Rennen zu gehen…. Ja, dann kommt halt ein sehr kleines Feld an und überrundet den letzten halt 2 mal, weil der nicht auf dem Niveau ist, wo er sein müsste. Kommt auch nicht gut an bei Zuschauern, die dann noch geblieben sind. Die Insider jubeln dem ganz hinten zu weil, er mit dieser nicht vorhandenen Fahrpraxis das Ding noch nicht versenkt hat. Die breite Masse sieht halt nur, dass unter den paar noch ein oder zwei sind, die das gar nicht richtig können.

Es müsste dann auch schlicht mehr Trainingsmöglichkeiten geben. Nun gibt es zum Frühjahresbeginn die berühmt-berüchtigten „Prüf- und Einstellfahrten“. Heißt, jeder, der das mitbekommt und ein Gespann hat, klebt ne Startnummer drauf und eiert über irgendeine Strecke. Oder die Classik-Teams testen, ob noch alles funktioniert, fahren irgendwas ein oder wollen einfach nur irgendwie spielen. Da brauchste mit nem Top-Gespann nicht anrücken, weil, du bist so damit beschäftigt, die „Kleinen“ Dinger zu umschiffen, dass du nichts testen kannst. Außer, dass es läuft, weißt du dann hinterher immer noch nichts. Das reicht nicht, um auf Spitzenniveau zu kommen!

Dann die Classic.Szene, die sich recht gut hält und fleißig miteinander altert. Die großen Classic-Veranstaltungen sind für viele seit Jahrzehnten ein Highlight. Und es fahren teilweise auch seit Jahrzehnten die selben Teams umeinander herum. Diese Szene ist im wahrsten Sinne des Wortes über einen sehr langen Zeitraum zusammengewachsen, was teilweise dazu führt, dass die Kinder von alten Teams auf Papas Gespann miteinander fahren. Gefühlt ist die Gespannszene was für Generationen und die Gespanne werden recycelt, bis es entweder keine Teile mehr gibt, oder einer das Ding ins nächste Museum verkauft.

Wehe, wenn sich die alten Haudegen zusammensetzen und „Weißt-du-noch-damals“ spielen. Die haben sogar ihre Fans konserviert! Oder das Interesse weitervererbt. Aber für jemand jüngeren, der nicht gerade damit aufgewachsen ist, ist das lahmer, oller Kram, der über die Strecke eiert. Dass da ein Gespann am Limit bewegt wird, registrieren die nicht, weil das Tempo nicht so hoch ist. Mehr geht halt z.B. mit dem Hochbeiner mit knapp unter 50PS aus wenig Kubik mit Bremsattrappen und Trennscheiben als Räder nicht. Technisch mega, fahrkünstlerisch Top, für heutige Verhältnisse eher… Gähn….

Die Classic-Szene ist super-Interessant, spannend, voller Geschichten und echter Geschichte. Aber nur für diejenigen, die sich dafür interessieren, oder die gar in der Blütezeit selbst noch sehr jung waren. Die erleben ihren X-ten Frühling. Den jungen, modernen KTM-Treiber von heute interessiert eine Haller-BMW eher nicht so sehr. Den Tik-Tok-verwöhnten Jungspund bekommst du mit dem ollen Zeug eher weniger vom Bildschirm gelockt. Dazu kommt, dass grad die Hardcore-Classicleute die Youngtimer auch nicht mögen, weil das modernes Grümpel ist. Wobei dieses Gerümpel noch am ehesten einen Bezug zu den Zuschauern aufbauen kann. Die sind nämlich oft genug noch Motorradnah und modern genug, um Interesse zu wecken. Wir prügeln zum Beispiel einen FZR600 Motor. Den kennen noch genug Leute, auch jüngere, um damit etwas anfangen zu können. Zudem ist das noch Motorrad genug, um Neugier hervorzurufen. Da wird dann mal lustig verglichen. Da ist tatsächlich noch genug Neugier vorhanden, aber auch da nimmt das langsam ab. Auch durch die geringe Sichtbarkeit. Wir fahren halt sehr oft ohne Publikum.

Für die Hardcore-Classic-Leute sind wir modernes Gerümpel, obwohl der Rahmen von 1984 und der Motor von 1995 ist. Für Außenstehende sind wir allerdings schon wieder so viel Nicht-Motorrad, dass wir wieder ein wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen. Wobei das eher klappt wie mit einer F1-Zigarre.

Für mich besteht daher der erste Auftrag, so viele Leute dazu zu kriegen, sich die modernen Gespanne überhaupt erst mal so richtig anzuschauen und nicht direkt wegzulaufen. Ich werde einfach so viele Leute wie möglich dazu überreden, sich in den Fahrerlagern auch mal bei den Top-Teams umzusehen. Jetzt wäre natürlich super, wenn diese Top-Teams dann auch noch mitarbeiten und den skeptischen Zuschauern zeigen würden, was für ein geiler Motorsport das ist. Denn, ohne Zuschauer werden wir untergehen.

Nur mal so.

Eure Frau Dr. Frühling

Text und Foto: Hertha Frimberger

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