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Sprechstunde Dr. Frühling: Warum nicht immer Gespanne verschiedener Klassen zusammenfahren können?

Herr G. fragt:

Hey, bei so nem Rennen sind gegenüber den Motorrädern immer viel weniger Gespanne am Start, können denn da nicht auch andere Gespanne aus anderen Klassen mitfahren? Wollt ihr das nicht, oder dürft ihr das nicht? Damit da mehr Gespanne pro Rennen da sind? Dann wäre das bestimmt interessanter, weil dann mehr auf der Strecke los ist. So ist das manchmal schon ziemlich langweilig.

Hallo Herr G.,

Jahaaa, dann wäre durchaus mehr auf der Strecke los. Ich bin mir nur nicht so ganz sicher, ob dieses Gemetzel den Zuschauern noch gefallen würde. Es hat durchaus seinen Sinn, dass da nicht allzu viele Gespanne auf der Strecke sind. Zudem sollte, gerade im Rennen, darauf geachtet werden, dass die Leistungsunterschiede nicht allzu gravierend sind.

Fangen wir mal vorne an: So ein Gespann ist gar nicht mal so schmal. Im Gegensatz, die werden unter Umständen mal so richtig breit. Besonders schön zu sehen, wenn bei so einem Frontausstieg vorne noch so ein halber Meter Beifahrer rausklappt. Die nehmen dann schon ziemlich Raum ein. Daher ist die Anzahl der Gespanne auf der Strecke tatsächlich reglementiert und schwankt je nach Strecke und ob es ein Training oder das Rennen ist.

Wer sich schon diverse Starts angesehen hat, weiß, dass in den ersten Kurven und in der ersten Runde das Gespannfeld erst mal ein einziger Haufen ist, bei dem jeder bitte weit nach vorne möchte. Da wird gedrängelt und gedrückt, da blockieren wir uns schon fast gegenseitig. Das zieht sich erst nach ein paar Kurven leicht auseinander. Bis dahin ist es auch mit ein paar Gespannen verdammt eng auf der Piste. Wir fahren ja nicht nett nebeneinander her und machen dem anderen höflich Platz, nein, jeder Platz, den du am Start gutmachen kannst, ist näher am Sieg. Da wird auch mal gedrängelt. Je mehr Zeug da fährt, um so höher ist dann auch das Unfallrisiko, weil, wenn da vor lauter Gespannen kein Platz mehr zum ausweichen oder sonstewas ist, dann rumpelt das halt auch mal. Wenn eine Schikane kommt und keiner gibt nach, oder der Pulk ist einfach zu groß, dann passt das einfach nicht mehr und einer muss heftig bremsen, damit es nicht knallt. Wenn dann aber noch zig Gespanne hinter dir drücken, die auch alle stark abbremsen müssen, braucht nur einer zu spät sein, dann knallt es auch schon mittendrin und es wird… interessant. Je größer das Feld ist, desto eher kann das passieren.

Wenn sich das Feld kennt und die Gespanne alle recht ähnlich reagieren, dann ist das kaum ein Problem. Aaaaber…..

Jetzt zu dem Mischen der Klassen: Natürlich könnten wir das Feld mit Gespannen aus anderen Klassen auffüllen. Sind definitiv genug Gespanne da. Wir könnten durchaus jederzeit 30 und mehr Gespanne auf die Strecke lassen. Ginge auch mehr. Wir haben aber Gespanne aus den 50ern und aktuelle WM-Raketen. Wir haben nahezu jede Motorvariante aus den verschiedenen Epochen der Sidecar-Welt in den verschiedensten Rahmen. Mit ganz unterschiedlichen Leitungen und Bremsen. Hä? Bremsen? Was hat das mit den Bremsen zu tun? Sehr, sehr viel. Wenn sich z.B. so ein F2, gerne auch älter wie unseres, vor der Kurve an einem alten Sitzer vorbei bremst, der leistungstechnisch nicht sooo gut im Futter steht, dann treffen da zwei ganz unterschiedliche Fahrweisen aufeinander: F2, volle Beschleunigung, vor der Kurve ankern, rum, Gas auf, hat ja Leistung. So ein altes Sitzergespann und auch noch viele ältere Kneeler parken jetzt echt nicht rum, haben aber im Gegensatz zu dem F2 Trommelbremsen, die zwar gut verzögern, aber die rollen mit viel mehr Schwung durch die Kurve. Wenn das jetzt in einem Rennen wild gemixt wird, dann kann das dazu führen, dann sich wieder das F2 vor den Sitzer bremst, der mit allem bremst was geht, und dann dem F2 mal hinten auf die Platte steigt, weil, irgendwo muss der ja hin! Oder der verliert seinen ganzen Schwung und verflucht dich und deine Kindeskinder in die letzte Hölle, denn den Schwung hat er nicht durch seine Motorleistung, sondern durch seinen Fahrstil. Und so geht das weiter. Es sind einfach so riesige Unterschiede in Motorleistung und Bremskraft, dass das in einem Rennen nicht funktionieren würde.

Es gibt Veranstaltungen, wo verschiedene Klassen gegeneinander antreten. Sie werden einzeln gewertet, fahren aber alle zusammen. Eine ganze Zeit war das Feld bunt gemischt und nicht sooo weit auseinander. Aber mit jedem ausrangierten F1 (oder den von den „großen Klassen“ genutzten Zusatztrainings bei uns…) stieg das Tempo. Und damit auch die Unfallgefahr, weil die Geschwindigkeitsunterschiede zu groß wurden. Außerdem muss man schon sehr, sehr schmerzbefreit sein, wenn man, mangels Bewaffnung, mehr oder weniger alle mindestens einmal wiedersieht beim Überrunden. Das ging eine ganze Zeit recht gut, bis auch da immer mehr aufgerüstet wurde und es auch immer öfter rumpelte. Und es rumpelte auch durch die Leistungsunterschiede, sowohl bei der Technik als auch bei dem, tatatataaaaaa: Fahrkönnen.

Ja, da gibt es durchaus einen Haufen Abstufungen. Wir sind eher so Kategorie begeisteter Amateur. Ich glaube sogar, dass die in der Gespannszene tatsächlich die Überhand haben. Wir fahren gerne, überall, wo wir dürfen, können schon bissig sein, aber nicht um jeden Preis, und wissen schon ganz gut, was wir können und was nicht. Und wir sind nicht alleine. Wir wollen alle spielen, gucken, dass wir den Kram heile wieder von der Strecke bekommen und sonntags mit nem fetten Muskelkater und nem noch fetteren Grinsen nach Hause fahren. Unser Ehrgeiz ist durchaus da, aber halt nicht so ausgeprägt. Da wird eher mal zurückgesteckt oder Luft gelassen, damit es nicht knallt. Das geht aber etwas verloren, je ehrgeiziger der Trupp und die Leistungsstufe wird.

Den dämlichsten Spruch fand ich, als uns einer mit nem F1 ziemlich dämlich rasiert hat und uns mit Lackaustausch fast abgeschossen hat, ja, so fährt man halt bei der WM. Zack. DAS haben wir Dritt- bis Viertligagespanne dann alle öfter mal gehört, bei verschiedenen Gelegenheiten, wo sich eines der Nobelgespanne in die niederen Gefilde verirrt hat.

Baby, kann sein. Aber erstens, sind wir nicht bei der WM, sondern bei einer DEMO-Veranstaltung gewesen, zweitens, es ging um GAR nichts, noch nicht mal um Zeiten oder einen Pokal, drittens, du hast fast doppelt so viel Leistung, musst du dich dann so da durch drücken, dass du uns fast in den Kies schiebst?

Es ist nicht immer eine gute Idee, die verschiedenen Leistungsklassen (und die Ehrgeizstufen) wild zu mischen, nur um ein Feld vollzubekommen. Es käme ja auch niemand auf die Idee, Formel1-Autos mit der DTM und ein paar Oldtimern zu mischen, nur um genug Material auf der Rennstrecke fahren zu haben.

So, jetzt gehe ich ne neue Platte bauen.

Liebe Grüße

Eure Frau Dr. Frühling.

Text: Hertha Frimberger

Foto: Doreen Müller-Uhlig

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