Sprechstunde Dr. Frühling: Wie war es in der Sidecar Trophy?

Hey, erzähl mal, wie war das bei der Sidecar Trophy?
Wow. Das war eine der häufigsten Fragen seit unserem kleinen Ausflug zum Nürburgring. Gefühlt sind wir wohl eher zu einem Forschungstrip in den Urwald aufgebrochen und haben uns in vollkommen unbekannte und gefährliche Gewässer begeben.
Locker bleiben, nicht verkrampfen, es war alles vollkommen harmlos.
Natürlich passiert es eher selten, dass sich eines der Klassik Gespanne in die höheren Klassen verirrt. Viel häufiger kommen die „großen“ Klassen zu uns in die Classic zum trainieren und zeigen uns Alteisentreibern mal kurz, was sich so technisch verändert und verbessert hat. Die Netten fahren dann in der letzten Runde raus und nehmen den Alten nicht noch die Pokale weg. Ansonsten ist es für einige Stammstarter bei den Alten dann auch mal ernüchternd, wenn sie auf einmal nicht mehr einsam und alleine mit weit überlegenem Material bei den wilden Haufen vorneweg bügeln.
Der umgekehrte Weg ist da eher selten und funktioniert auch nur dann ohne bleibenden Schaden am Ego, wenn dieses entweder groß genug ist, oder man eher sowieso ignorant und wenig Eitel ist. Denn, es hat schon einiges an Fortschritt gegeben, und es hat auch seinen Grund, warum die Klassen getrennt wurden. Sonst gäbe es viel mehr Geheule im Sandkasten.
Fangen wir mal vorne an:
Nachdem sich unsere persönliche Planung privat etwas zerschlagen hat und wir nicht wissen, wie es diese Saison weitergeht war natürlich erst mal Trübsalblasen angesagt. In dieser Zeit habe ich dann etwas gestöbert und registriert, dass die Sidecar Trophy quasi vor der Haustür am Nürburgring ist. Wir haben uns dann kurz überlegt, ob wir uns das echt geben wollen, denn, wir kennen genug Teams da und wissen, wir werden wieder die dicke, weiße Wanderschikane sein. Aber wir mögen die Strecke, sind dicht dran (kürzeste Afahrt ever!) und sind es eh gewohnt, auf nahezu jede erdenkliche Art abgeledert zu werden. Also habe ich nett angefragt, ob sie noch eine Rote Laterne brauchen, wurden angenommen („Grünes Licht für Rote Laterne“) und haben ganz normal genannt.
Nach der Stundenlangen Anfahrt von ziemlich genau 30 km durften wir dann den heiligen Boden betreten und bekamen unser Plätzchen zugewiesen, mit der Bitte, so klein wie möglich aufzubauen . Etwas, was wir so nicht kennen, was es aber durchaus angenehm macht, weil sich dann nicht der ein oder andere Honk so breit wie möglich macht, damit das Ego auch garantiert genug Platz zum Ausbreiten hat.
Ja, die technische Abnahme war dann nochmal interessant, da unser Gespann so steinalt ist, dass es von vielen Dingen, die bei der Sidecar Trophy Standard sind, noch nie was gehört hat. Zudem sind wir Klassentechnisch ganz anders abgenommen worden bisher und brauchten manche Dinge nicht. Unsere Dicke stellte dann, auch aufgrund ihres Alters, die Herren vor kleinere Herausforderungen. Es drehte sich hauptsächlich vor allem um die vorgeschriebene Ölwanne, die halt genug Flüssigkeit halten muss, falls der Motor hochgeht. (Bei dem Rest haben sie aber auch bestimmt das ein oder andere Mal Scheuklappen angehabt.) Wir haben zwar eine Wanne, die ist auch vollgestopft mit Saugflies, aaaaaber…. Sie ist halt recht interessant irgendwie am Rahmen befestigt, sehr niedrig und garantiert nicht so dicht, wie da benötigt. Die Diskussion ging auch etwas hin und her, bis einer der Herren dann sagte, hey, das ist ein Oldtimer, und in der Klassik haben viele gar keine Wanne drunter! Kurze Schnappatmung, kurze Hilflosigkeit, aber dann haben wir alle zusammen mit ein wenig Hirnschmalz, viel Kabelbindern, diversen Matten und anderen Sachen eine Art provisorische Wanne hingebastelt, mit der wir alle Leben konnten. (Wobei ich mir immer noch sicher bin, dass es dem einen die Zehennägel hochgekräuselt hat.) Also auch da, wo ein Wille, da auch eine Lösung, damit der Dinosaurier im Feld doch starten kann. Es dürfte auch geholfen haben, dass wir uns die letzten Jahre bei diversen Veranstaltungen über die Füße gelaufen sind und sie sehen konnten, ja, sieht abenteuerlich aus, tut aber ihren Job, ohne durch technische Ausfälle zu glänzen.
Auch der Rest war sehr tiefenentspannt, und, mal unter uns, Ihr Lieben, das ist schon ein wenig Rosa Puderzucker sanft in den Hintern geblasen bekommen, oder? Ich bin es gewohnt, zwar effektiv und eigentlich auch zügig abgefertigt zu werden, aber halt einer von hunderten, und da kann das alles auch mal dauern. Alleine die Abnahme im Zelt fand ich prima, da könnte ich mich dran gewöhnen. (Falls einer wissen will, warum Gespannleute Diven sind, das ist durchaus hilfreich bei der Entwicklung!)
Natürlich wurden wir beschnuppert und beobachtet, immerhin haben die Klassik Sidecar Trophy Leute schon so ihren eigenen Stand im Rennzirkus, und so ein etwas anrüchiger Ruf hängt da auch noch dran. Aber wir haben uns durchaus benommen und wurden wirklich nett aufgenommen.
Ja, was soll ich sonst sagen? Auf der Strecke war es recht schnell klar, dass wir nicht im Traum konkurrenzfähig sind, was uns persönlich aber keinerlei Spaß genommen hat. Wir haben uns mit allen Rädern, Händen und Füßen gegen eine Übermacht gewehrt, haben unser Ding durchgezogen, sind die schnellste Einlaufrunde ever gefahren (So ziemlich die einzige Runde, in der wir ansatzweise dran bleiben konnten…), sind für unsere Verhältnisse sogar grandios gestartet (Das einzige mal, wo es uns wirklich gar nichts gebracht hat), wurden echt lieb überrundet und hinterher nicht mit fauligen Tomaten beworfen. Eher im Gegenteil, denn, was für uns eine echt schöne Begleiterscheinung ist: Die haben unsere Zeiten in das Verhältnis zu unserem Gespann mit der darin vorhandenen Leistung gesetzt. Natürlich ist es einfach, mit einem besseren, stärkeren, leichteren Gespann schneller zu sein, himmelherrgottnochmal! Da brauchen sich manche gar nicht so sehr aufpusten, wenn wir alle mal die tatsächlichen Leistung vergleichen würden, wäre manch ein Zeitenunterschied auf einmal gar nicht mehr sooo gut. Aber dieses mal wurde beachtet, womit wir diese Zeiten fahren. Und dafür gab es auch mal ein fettes Lob, denn, wir haben mal kurzfristig sämtliche Durchschnittswerte gesprengt, sei es vom Alter, von der Leistung, vom Motor, vom Gewicht….. Und dafür haben wir uns recht gut verkauft, finde ich.
Für uns war es ein rundum gelungenes Wochenende, wir hatten viel Spaß, konnten fahren, wurden nicht enttäuscht und haben wohl etwas ganz großes gewagt, so wie manch einer ehrfürchtig nachgefragt hat. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es dem ein oder anderen schwerer gefallen wäre, denn, da ist schon ein gut eingespielter, echt schneller und guter Haufen unterwegs der einem mal kurz zeigt, was mit einem Gespann eigentlich alles geht. Zum Glück sind wir noch Kummer gewöhnt und unser Ego hält das aus, ohne, dass wir alle drei hinterher in Depressionen versinken.
Ich bin ja immer noch der Meinung, entweder Leistung oder fahren können, beides ist unfair.
In diesem Sinne,
eure Frau Dr. Frühling.
P.S.: Und, da auch diese Frage kam: Der Chef hat laut maulend tatsächlich Tankschaum in den Tank gestopft. Falls da irgendwas kommt und sich irgendwas jetzt zusetzt mit Dreck, wird er den Rest seines Lebens jedem erklären „Hab ich ja direkt gesagt, den Dreck braucht kein Mensch!“
Drückt mir also die Daumen, dass der Tankschaum hält….
Text: Hertha Frimberger
Foto: Doreen Müller-Uhlig
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